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Urteile im Erbrecht

OLG Hamm, Urt. v. 9.3.2023 - 10 U 28/22

(LG Dortmund Urt. v. 15.2.2022 - 12 O 217/17)

Beeinträchtigende Schenkung: Testamentsanfechtung

Gem. § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe gegenüber einem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes verlangen, wenn der Erblasser den Vertragserben mit der Schenkung beeinträchtigen wollte. Auf bindend gewordene wechselseitige Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten wird § 2287 BGB analog angewendet.  

Mit Urteil vom 9.3.2023 hat das OLG Hamm entschieden, dass eine Beeinträchtigung im Sinne des § 2287 BGB dann nicht gegeben ist, wenn der Erblasser ein für ihn bindend gewordenes früheres Testament zum Zeitpunkt der Schenkung noch gem. § 2079 BGB hätte anfechten können. Demnach kann der Erblasser zum Nachteil des Vertrags- und Schlusserben innerhalb der Anfechtungsfrist des § 2283 Abs. 1 BGB Schenkungen vornehmen, auch wenn das Testament letztlich gar nicht angefochten wird. 

In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall errichtete der spätere Erblasser mit seiner ersten Ehefrau ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben und den Kläger – ihr einziges Kind – als Schlusserben einsetzten. Nachdem die erste Ehefrau des Erblassers im Jahr 2001 verstarb, lernte er in der Folgezeit die Beklagte kennen und heiratete sie 2008. Daraufhin erwarben der Erblas-ser und die Beklagte im Februar 2008 zu einem Miteigentumsanteil von jeweils ½ die von ihnen bewohnte Wohnung zu einem Kaufpreis i.H.v. 80.000 EUR. Der Erblasser errichtete sodann im Juli 2012 ein privatschriftliches Testament, in dem er die Beklagte als Alleinerbin einsetzte. Zu dem Kläger bestand seit Dezember 2003 kein Kontakt mehr. Im Jahr 2014 verstarb der Erblasser, nachdem er seit 2004 an einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung gelitten und im Dezember 2013 die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhalten hatte. 

Aufgrund der bindenden Schlusserbeneinsetzung wurde dem Kläger im November 2016 ein Alleinerbschein nach dem Erblasser erteilt. Daraufhin begehrte der Kläger von der Beklagten unter anderem die Übertragung des hälftigen Miteigentums an der von der Beklagten und dem Erblasser bewohnten Eigentumswohnung und hilfsweise die Zahlung von 40.000 EUR. Er behauptete, die Eigentumswohnung sei allein von dem Erblasser bezahlt worden und war daher der Auffassung, dass die Schenkung an die Beklagte als eine beeinträchtigende Schenkung nach § 2287 BGB zu werten sei. Von Seiten der Beklagten wurde eine solche Schenkung bestritten. Das LG Dortmund hat in erster Instanz mit Urteil vom 14.2.2022 einen Anspruch des Klägers auf Übertragung des hälftigen Miteigentums an der Eigentumswohnung gem. §§ 2287, 812 BGB bzw. hilfsweise auf Herausgabe des hälftigen Kaufpreises i.H.v. 40.000 EUR verneint. Ob es sich um eine lebzeitige Schenkung des Erblassers handle, könne dahinstehen, da jedenfalls ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers – die Hoffnung auf Zuwendung und Versorgung durch die Beklagte – angenommen werden könne und der Erblasser damit jedenfalls ohne Beeinträchtigungsabsicht gehandelt habe. Auf die Berufung des Klägers lehnte auch das OLG Hamm einen Anspruch des Klägers auf Übertragung hälftigen Miteigentums und hilfsweise Zahlung von 40.000 EUR ab. § 2287 BGB sei zwar analog auf wechselbezügliche Verfügungen in einem Berliner Testament anzuwenden, wenn diese wie hier nach dem Tod eines Ehegatten für den anderen bindend geworden sind. Allerdings sei im vorliegenden Fall – selbst wenn man von einer Schenkung an die Beklagte ausgehe – eine Beeinträchtigung des Klägers im Sinne des § 2287 BGB abzulehnen. Als Begründung wurde angeführt, dass die Beklagte mit der Heirat pflichtteilsberechtigt geworden sei und der Erblasser daher gem. § 2079 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen sei, die ihn bindende Schlusserbenbestimmung innerhalb eines Jahres anzufechten, § 2283 Abs. 1 BGB. Den Kaufpreis i.H.v. 80.000 EUR habe der Erblasser bereits im April 2008 von seinem Girokonto abgebucht, d.h. nur drei Monate nach der Eheschließung und mithin jedenfalls innerhalb der Jahresfrist, während der er zur Anfechtung berechtigt gewesen wäre. 

Mit dieser Entscheidung hat sich das OLG Hamm der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung des BGH zur Anwendbarkeit von § 2287 BGB im Falle der Anfechtbarkeit eines Erbvertrages oder eines gemeinschaftlichen Testaments angeschlossen. Dies hat zur Folge, dass sich die Anwendbarkeit des § 2287 BGB von Seiten des letztversterbenden Ehegatten etwa durch Heirat oder Adoption, verhindern lässt. Es kann daher für Schlusserben sinnvoll sein, ihren Pflichtteil nach dem vorverstorbenen Ehegatten – trotz ggf. vorhandener Pflichtteilsstrafklauseln – geltend zu machen. Für Ehegatten sollte bei der Errichtung eines Berliner Testaments im Sinne eines fairen Interessenausgleichs ein Ausschluss der Anfechtbarkeit wegen der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten in Erwägung gezogen werden.

OLG Karlsruhe, FGPrax 2023, 40

Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden

Zu klären war im vorliegenden Fall, ob ein Ehepaar gemeinschaftlich testiert hatte und somit ggf. eine Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments entfachte.

Die Ehegatten hatten drei hintereinander folgende Verfügungen errichtet. Die Besonderheit war, dass die Ehegatten jeweils einzeln testiert hatten und sodann anschließend am selben Tag gemeinsam ein Testament folgenden Inhalts errichtete: "Unser letzter Wille. Im Falle unseres gemeinsamen Todes bestimmen wir unsere 3 Kinder, T1, T2 und S zu gemeinsamen Erben."

Nach dem Tode des Ehemannes testierte die Ehefrau erneut und setzte lediglich T1 zur alleinigen Erbin ein. 

Fraglich war demnach, ob die Wesensmerkmale eines gemeinschaftlichen Testaments vorlagen. Diese Merkmale sind im Gesetz nicht näher ausgeführt. Die objektive Theorie stellt auf formale Kriterien ab, z.B. ob das Testament in einer Urkunde erfolgte. Die subjektive Theorie stellt allein auf den Willen der Ehegatten zur gemeinschaftlichen Testamentserrichtung ab, welcher heute für maßgeblich erachtet wird. 

Im vorliegenden Fall lagen gleichzeitig errichtete und sprachlich abgestimmte Verfügungen vor, auch wenn diese in drei getrennten Urkunden erfolgten. Das OLG Karlsruhe sah alle drei getrennte Urkunden als ein einheitliches gemeinschaftliches Testament an. Folgende Punkte waren hierzu ausschlaggebend..

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